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Bildschirmfoto 2019-03-29 um 12.19.15.pn
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Da sitze ich nun und schreibe eine erste Version meiner Website und schon taucht auch die erste Hürde auf: Keine inhaltliche Hürde, nein, sondern die Frage: Wie will ich meine LeserInnen ansprechen! Siezen oder duzen oder das Ganze mit einem WIR oder MAN umgehen?

 

Als ehemalige Werbetexterin habe ich für diese Situation natürlich das passende Handwerkszeug parat. Habe ich doch gelernt, wie UNGLAUBLICH wichtig es ist, sich in seine Zielgruppe hineinzuversetzen und diese so genau wie möglich zu kennen. Ja, am besten, man stellt sich eine konkrete Person vor, sozusagen den Ideal-Adressat, und seziert seinen Lifestyle im Detail. Das reicht von Alter, Wohnort und Einkommen über politische Präferenz, Familienstatus und Hobbys bis zur Frage nach dem Informationsverhalten, dem Tagesablauf oder, auf die Spitze getrieben, der Überlegung, ob die Person zwei- oder dreilagiges Toilettenpapier bevorzugt, denn letztlich geht es darum, das Wünschen, Denken, Träumen und Fühlen dieser Person zu verstehen.

Sobald ich mir diesen Dummy genauestens vorstellen kann, weiß ich natürlich auch, wie ich diese Person am besten anspreche.

 

Alles ganz easy, oder?

Nein, ist es nicht, denn diese eine Person, die ich mir stellvertretend für alle, die meine Wunschkunden sind, vorstellen soll, gibt es nicht! Und das liegt nicht daran, dass ich nicht genau weiß, wen ich erreichen möchte, sondern schlichtweg daran, dass ich ein Verfechter der Vielfalt bin.

Ich möchte (und kann) mit der 50-Jährigen, die nach 25 Jahren Ehe ihr Leben betrachten möchte, um noch mal etwas Neues zu wagen, genauso Biografiearbeit machen wie mit dem 30-Jährigen, der gerade den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Ich erarbeite und schreibe die prägenden Lebensgeschichten des frisch gebackenen Großvaters, der seinen Enkeln diese Sammlung hinterlassen möchte, genauso gerne wie die Geschichte der 35-Jährigen, die ihre Kindheitserinnerungen zu Papier bringen möchte. Und vor allem arbeite ich genauso gerne mit jemandem zusammen, der gesiezt werden möchte, wie mit jemandem, dem das DU besser gefällt.

Sie alle sind Wunschkunden, die eine Sache eint: Sie möchten sich auf die ein oder andere Weise mit ihrer Lebensgeschichte befassen und sie sind bereit, ihre Geschichte mit mir zu teilen, ob per SIE oder per DU ist völlig egal.

 

Eines wird schnell klar: SO komme ich nicht weiter.

Also bei mir anfangen, denn die Website soll ja schließlich nach mir klingen.

Bin ich also jemand, der lieber duzt oder siezt? Bäng! Die nächste Sackgasse. Hin und wieder bin ich ganz froh um unser SIE, das eine vorsichtige Annäherung ermöglicht und Respekt oder auch Distanz zum Ausdruck bringen kann, aber das DU ermöglicht meist ein schnelleres Warmwerden, eine Unkompliziertheit und Entspanntheit, die ich schätze.

Bleibt ein MAN oder ein WIR, um das Dilemma zu umgehen. Aber MAN ist einfach zu unpersönlich und WIR klingt so ein bisschen nach Krankenschwester oder Altenheim in TV-Serien der 80er Jahre.

 

Also gebe ich erste unterschiedliche Textversionen, Freunden zu lesen (die alle potenzielle Wunschkunden sein könnten, wären sie nicht bereits meine Freunde).

Die Antworten fallen so unterschiedlich aus, wie meine Freunde nun mal sind.

Das reicht von „also ein DU auf der Website finde ich wenig professionell, klingt so nach Mutti-will-einen-auf-hip-machen“ über „ich will nicht von einem MAN durch meine Biografie geleitet werden, ich will spüren, dass da echtes Interesse und eine Verbindung entsteht“ zu „SIE ist so was von 1.0, das, was du da anbietest, braucht doch Vertrauen, da klingt mir das SIE zu distanziert und zu steif“.

Uff! So gut das Feedback gemeint ist, es bringt mich nicht weiter.

 

Also formuliere ich hin und her, merke, dass es Passagen gibt, die besser im SIE klingen, andere erfordern meiner Meinung nach unbedingt ein DU und wieder andere eine sachliche Distanz oder Verallgemeinerung, die sich mit MAN am besten erreichen lässt.

Da ich zu keinem eindeutigen Ergebnis komme, entscheide ich mich zunächst für das zeitgeistigere DU. Und bin dann doch nicht zufrieden ...

 

Letztendlich haben mich folgende Fragen dann zum SIE geführt: Wen zu vergraulen würde ich eher in Kauf nehmen? Die, die sich durch die Duzerei so überrumpelt fühlen, dass ihre Neugier auf mein Angebot schon allein dadurch versiegt? Oder die, die durch die Siezerei den Eindruck haben, dass ich und die ganze Sache nicht cool/modern/unkompliziert genug sind? 

Dabei ist mir auch eines klar geworden: Vom SIE zum DU zu gelangen, ist einfacher als umgekehrt. Und weil ich es meinen KundInnen prinzipiell so einfach wie möglich machen möchte, Ihre Geschichte zu finden und zu erzählen, beginne ich hier mit dem SIE und vielleicht landen wir dann beim DU. 

 

Es war trotzdem keine einfache Entscheidung und deshalb hatte ich das Bedürfnis, mich und das SIE mit genau diesem Text hier zu erklären.

Ich möchte Ihnen und euch sagen, dass ich mir bewusst bin, dass der Eine genau die Distanz und den Respekt des SIE braucht, um über sich sprechen zu können, die Andere sich nur mit einem DU angenommen fühlt. Beides kann ich sehr gut nachvollziehen, mit beidem kann ich gut umgehen, und ich freue mich genauso über Sie wie über euch als KundInnen.

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